Teilzeit und Karenz in der Anwaltschaft

Anwaltsrechtliche Forschung zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit

Ende 2020 waren in Österreich 6.605 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte tätig, rund 23 % (1.542) davon sind Frauen. In Ausbildung befinden sich derzeit 2.270 Rechtsanwaltsanwärterinnen und -anwärter, wobei der Frauenanteil knapp 49 % (1.109) beträgt. Die Anwaltschaft ist damit nach wie vor männlich dominiert, ein großer Teil der Frauen schließt die Ausbildung nicht ab oder verfolgt danach keine Karriere als Rechtsanwältin. Den Anwaltsberuf nehmen viele Menschen als mit Familie und Teilzeit unvereinbar wahr.

Den Ursachen dafür will das Institut für Anwaltsrecht (IAR) mit Kooperationspartnerinnen und -partnern auf den Grund gehen. Welche Hürden bestehen für Frauen im Anwaltsberuf, welche Möglichkeiten werden ihnen geboten? Gehen auch Männer in der Anwaltschaft in Karenz? Eine systematische Analyse soll rechtliche wie tatsächliche Faktoren identifizieren. So eindeutig die Zahlen dafür sprechen, dass die aktuellen Rahmenbedingungen vor allem Frauen benachteiligen, so soll auch – geschlechtsneutral – nach der Förderung der Vereinbarkeit von Familie und (Anwalts-)Beruf gefragt werden. Karenz- und Teilzeitmodelle für Frauen und Männer, die schon gelebt wurden und werden, sollen vor den Vorhang gelangen. Dabei gilt es unter anderem, die Organisation und Struktur der jeweiligen Kanzleien in den Blick zu nehmen. Davon können Kanzleien als Arbeitgeber lernen. Zu wissen, was anderswo möglich war und ist, stärkt aber auch (werdenden) Müttern und Vätern den Rücken. Ferner muss das „Rollenverständnis“ angehender Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und die mögliche Einbindung ihrer Partner und Partnerinnen (sowie ihres sozialen Umfelds) in die Lösungen beleuchtet werden. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie, die in vielen Branchen zu mehr Flexibilität in zeitlicher und örtlicher Hinsicht geführt hat, soll analysiert werden, ob zumindest partiell ein Umdenken stattfindet und die Krise in dieser Hinsicht möglicherweise als Wegbereiter für Frauen, aber auch Männer, dienen kann.

 

„Der Anwaltsberuf ist eine Herausforderung, ob mit oder ohne Kinder, ob als Frau oder als Mann. Es ist nicht immer einfach, aber es ist ein schöner und abwechslungsreicher Beruf mit vielen Vorteilen. Ich möchte meinen Beitrag dazu leisten, auch Frauen für diesen Beruf zu begeistern.“

Daniela Huemer, Partnerin bei HNP und Mutter von 2 Kindern

Ziel des Forschungsprojekts ist es somit primär, die Hintergründe der Unterrepräsentanz von Frauen in der Anwaltschaft aufzuklären. Die Praxis soll positive Impulse zur Verbesserung der Bedingungen, die Frauen in Anwaltskanzleien vorfinden, erhalten, sodass mehr Frauen den Schritt in die Anwaltschaft wagen können, aber es soll auch – geschlechtsneutral – die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und (Anwalts-)Beruf beleuchtet werden. In Kooperation mit der Standesvertretung gilt es, Vorschläge für legistische Verbesserungen zu erarbeiten.

An dem Projekt unter der Ägide des IAR beteiligen sich Expertinnen und Experten aus der Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaft, insbesondere auch Anwältinnen und Anwälte. Neben der Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen (insbesondere im Arbeits-, Sozial- und Standesrecht) im Rahmen eines Dissertationsprojekts soll hochqualitative empirische Forschung die Rechtswirklichkeit aufklären.

 

„Die Anwaltschaft verliert derzeit viele hervorragende Leute, die sie jahrelang ausgebildet hat, an andere Branchen. Mit unserem interdisziplinären Ansatz wollen wir dazu beitragen, dass an den richtigen Stellschrauben gedreht werden kann und es zur Trendwende kommt.“

Andreas Geroldinger, Vorstand des IAR

 

Projektteam

  • Leitung: Univ.-Prof. Mag. Dr. Andreas Geroldinger (JKU Linz)
  • Mag. a Dr.in Martina Beham-Rabanser (JKU Linz)
  • RA Mag. Dr. Helmut Engelbrecht (ENGELBRECHT Rechtsanwalts GmbH)
  • Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Elisabeth Greif (JKU Linz)
  • Mag.a Julia Hellberg (JKU Linz)
  • Univ.-Prof. Mag. Dr. Helmut Hirtenlehner (JKU Linz)
  • RAina Dr.in Daniela Huemer (HNP, Beirat des IAR)